Die Mehrheit will einen schnelleren Ausstieg, als ihn selbst die Grünen fordern

.ausgestrahlt – gemeinsam gegen atomenergie

Offener Brief an den Bundesvorstand von Bündnis 90 / Die Grünen

Hamburg, den 5. Juni 2011

Lieber Bundesvorstand der Grünen

am Montag wollt Ihr beraten, wie Ihr Euch gegenüber den atompolitischen
Vorstellungen der Bundesregierung positioniert.

Nach der neuesten Forsa-Umfrage wollen 56 Prozent der Bevölkerung einen
vollständigen Atomausstieg bis 2016 oder früher. Die Mehrheit will also
einen schnelleren Ausstieg, als ihn selbst die Grünen fordern (2017) –
aber in keinem Fall den Weiterbetrieb der letzten AKW bis 2022.
Wir fordern Euch nachdrücklich auf, der Atompolitik der Bundesregierung
nicht zuzustimmen – und zwar aus folgenden Gründen:

1. Nach dem aktuellen Plan der Regierung sollen bis 2017 – dem Jahr, in

dem nach grüner Vorstellung das letzte AKW vom Netz gehen soll, nur zwei
von neun verbleibenden Reaktoren stillgelegt werden. Sieben laufen
weiter, sechs davon noch vier oder fünf Jahre länger. Keines davon ist
nach dem Bericht der Reaktorsicherheitskommission gegen Flugzeugabstürze
gesichert. In jedem einzelnen kann jeden Tag die Kernschmelze eintreten.

2. Sechs AKW sollen damit noch mehr als zehn Jahre – über drei
Bundestagswahlen hinweg – am Netz bleiben. Damit ist der Ausstieg nicht
unumkehrbar, sondern das öffnet Tür und Tor für eine spätere Revision
der jetzigen Beschlüsse.

3. Die Kanzlerin hat auf ihrer Pressekonferenz nach dem Gespräch mit
den
MinisterpräsidentInnen am Freitag erklärt, dass sie an der Regellaufzeit
von 32 Jahren festhalten will und nicht – wie von Renate Künast
kolportiert – auf 30 Jahre runtergehen wird.

4. Die Bundesregierung hat beschlossen, den Bau des Atommüll-Endlagers
im dafür völlig ungeeigneten Salzstock Gorleben weiter voranzutreiben.
Damit werden Tatsachen geschaffen, die es in Zukunft immer schwerer
machen werden, Gorleben zu verhindern.

5. Es soll dabei bleiben, dass eines der besonders unsicheren AKW als
sogenannte „Kaltreserve“ in den nächsten beiden Wintern hochgefahren
werden kann.

6. Die Senkung der Sicherheitsstandards in der Atomgesetznovelle wird
nicht zurückgenommen. Eine Verbesserung des Sicherheitsstandards durch
die Übernahme des neuen Kerntechnischen Regelwerks wird nach wie vor
nicht verwirklicht.

7. Die Bundesregierung hat sich Konsensgesprächen sowohl mit den Grünen

als auch mit den Umweltverbänden verweigert.

All dies zeigt, dass die Kriterien für eine Zustimmung, die Ihr vor
wenigen Tagen selbst aufgestellt habt, nicht erfüllt werden. Damit kann
es kein grünes „Ja“ geben.

Es würde die Glaubwürdigkeit der Grünen extrem beschädigen, wenn sie all
dies mittragen. Ihr sagt von Euch, Ihr seid die Anti-Atom-Partei. Doch
bei einer Zustimmung droht den Grünen das Schicksal einer bekannten
Steuersenkungspartei, die die Erwartungen ihrer WählerInnen nicht
erfüllen konnte.

Die Grünen müssen nicht springen, nur weil Rainer Brüderle ein Stöckchen
hinhält.

Die Auseinandersetzung um die Atomenergie wird weitergehen, alleine
schon deshalb, weil die großen Stromkonzerne in den nächsten Jahren
alles dafür tun werden, dass ihre Gelddruckmaschinen doch noch länger in
Betrieb bleiben können. Wir werden deshalb weiter auf der Straße gegen
den Weiterbetrieb der AKW demonstrieren, auch weil die Risiken bis 2022
nicht kleiner werden, sondern in alternden Anlagen immer größer. Auf
welcher Seite werdet Ihr dann stehen?

Mit dem rot-grünen Atomkonsens gab es ein tiefes Zerwürfnis zwischen
Grünen auf der einen und Bürgerinitiativen und Umweltverbänden auf der
anderen Seite. In den letzten Jahren habt Ihr Euch als Oppositionspartei
wieder als Teil der Anti-AKW-Bewegung verstanden, habt mit uns gemeinsam
demonstriert und unsere Forderungen geteilt. Die Spaltung konnte
weitgehend überwunden werden. Wir fordern Euch auf: Setzt diese
Gemeinsamkeit nicht erneut aufs Spiel!

Nur wenn wir alle Kräfte bündeln, können wir einen schnelleren Ausstieg
durchsetzen.

Mit sonnigen Grüßen

Jochen Stay
(Sprecher von .ausgestrahlt)

Eine Antwort auf „Die Mehrheit will einen schnelleren Ausstieg, als ihn selbst die Grünen fordern

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  1. Ich finde, man sollte den Politikern und Wirtschaftsbossen einfach mal zeigen, auf welcher Seite das Herz schlägt. Wenn genügend Verbraucher den Stromanbieter wechseln und Ökostrom wählen, sollte doch schon viel getan sein!
    Informationsquellen gibts ja viele. Ich finde zum Beispiel diese Seite sehr interessant, wenn es um die Wahl des richtigen ANbieter geht!
    http://www.oekostrom.org/index.php/2011/05/22/okostrom-anbieter/
    Alles Liebe,
    Lea

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